Geo AI: Experteninterview Artificial Intelligence in der Geoanalytik
WIGeoGIS-Expertengespräch zu Geo AI
Geo AI (deutsch: Geo KI) beschreibt den Einsatz Künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence) innerhalb der Geoanalytik bzw. Geoinformatik. Universitätsprofessor Johannes Scholz widmet sich in seinen Forschungen diesem Themenbereich und hat hier bereits zahlreiche Forschungsprojekte geleitet und durchgeführt, unter anderem auch in Kooperation mit WIGeoGIS.
Im Experteninterview mit WIGeoGIS erläutert er unter anderem folgende Fragen:
- In welchen Einsatzgebieten erzielt Geo AI bereits gute Ergebnisse?
- Wo liegen die größten Hürden von Geo AI?
- Wo gibt es in der Geo AI Forschungsbedarf?
Relevante Fragen zu GIS und Artificial Intelligence
- Wie groß schätzen Sie das Potenzial Künstlicher Intelligenz in der Geoanalytik (Geo AI/Geo KI) ein?
- Wo ist Geo AI schon heute, 2025, hilfreich?
- Wie arbeiten Sie konkret mit Geo AI?
- Können Sie Beispiele aus Ihrer Forschung zu Geo AI nennen?
- Was ist der Unterschied zwischen ChatGPT und Geo-AI-Modellen?
- Wie müssen Daten für Geo-AI-Modelle vorbereitet werden?
- Wie gut gelingt das Prognostizieren menschliches Verhalten bereits?
- Inwiefern ist den Ergebnissen von Geo AI zu trauen?
- Wie gut kann AI in unstrukturierten Massendaten Regeln erkennen?
- In welchem Entwicklungsstadium steckt aus Ihrer Sicht Geo AI derzeit?

Zur Person
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Johannes Scholz ist ordentlicher Professor für Geoinformatik am Institut für Geoinformatik (Z_GIS) an der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Dort leitet er die Gruppe "GeoAI, GeoKG und GeoSemantics". Am Z_GIS wird sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Forschung betrieben.
Zuvor war Scholz unter anderem assoziierter Professor an der Technischen Universität Graz (Institut für Geodäsie, Forschungsgruppe Geoinformation), Mitglied der Kommission Geographic Information Science der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Gastwissenschaftler am Institut für Geographie der University of California, Santa Barbara, und assoziierter Dozent am Doctoral College GIScience der Universität Salzburg.
Wie groß schätzen Sie das Potenzial Künstlicher Intelligenz in der Geoanalytik (Geo AI/Geo KI) ein?
Geo AI spielt in alle Bereiche der Geoanalytik hinein. Es ist ein sehr großes Forschungsgebiet, doch noch wissen wir nicht genau, wo es wirklich große Vorteile gegenüber klassischen räumlichen Analysen bringen wird. Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob Geo AI das Potenzial hat, Geomarketing-Tools zu revolutionieren.
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Wo ist Geo AI schon heute, 2025, hilfreich?
Man kann mit Geo-AI-Modellen schon heute sehr viel machen, vor allem im Bereich der Auswertung von Geodaten und im Erkennen von Trends und Zusammenhängen in Daten, immer vorausgesetzt man hat gut trainierte Modelle. Doch wir sehen in Projekten relativ häufig, dass es an ausreichend hochqualitativen Trainings- und Verifikationsdaten mangelt.
Wie arbeiten Sie konkret mit Geo AI?
Im genannten Beispiel wollen wir hochpräzise Smart-Meter-Daten, also Strombezugsdaten und Stromerzeugungsdaten verwenden, die aggregiert, also zusammengefasst sind, sodass der Datenschutz gewährleistet ist. Das heißt, die Daten verraten nicht, welcher Haushalt wann genau den Fernseher aufdreht und zu kochen beginnt. Weiters lassen wir in das KI-Modell soziodemographische Daten und Daten eines Mobilfunkanbieters einfließen, die uns beispielsweise etwas über das Pendlerverhalten verraten. All diese Daten versuchen wir so zu verarbeiten und übereinanderzulegen, dass das KI-Modell uns etwas zur künftigen Auslastung des Stromnetzes verrät. Eine Forschungsfrage ist, für welche Ebene wir Vorhersagen treffen können, beispielsweise auf Quartiersebene oder Baublock-Ebene - wobei es immer Unschärfen geben wird.
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Können Sie Beispiele aus Ihrer Forschung zu Geo AI nennen?
In dem kürzlich abgeschlossenen Projekt "ABM4EnergyTransition" ging es uns darum herauszufinden, nach welchen Kriterien sich Hauseigentümer in Bezug auf ihr Heizungssystem oder die thermische Isolierung von ihrem Privathaus entscheiden. Dafür wurde eine große Umfrage unter 30.000 Haushalten durchgeführt, aber wir haben unter anderem auch klassische soziodemografische Daten in das KI-Modell einfließen lassen, die uns WIGeoGIS zur Verfügung gestellt hat. Die Künstliche Intelligenz war in diesem Projekt eine große Hilfe, um herauszufinden, wie unter anderem die finanzielle Situation, der Ausbildungsstatus und öffentliche Förderungen die Entscheidungen der Hausbesitzerinnen und -besitzer beeinflussen.
In einem anderen Forschungsprojekt wollen wir gemeinsam mit der TU Graz mithilfe von Geo AI herausfinden, wie Faktoren wie der Klimawandel, der soziodemografische Wandel oder das Mobilitätsverhalten die Stabilität der Stromnetze bis 2030 beeinflussen wird.
Was ist der Unterschied zwischen ChatGPT und Geo-AI-Modellen?
Bei Geo AI geht es immer um Fragestellungen mit geografischem Bezug. Außerdem wenden sich Large-Language-Modelle wie etwa ChatGPT 4.0 an den Endconsumer und werden anhand eines Datensatzes trainiert, der zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung steht - auf dieser Basis können Endconsumer dann prompten. Wir hingegen trainieren unsere eigenen AI-Modelle an. Das heißt, wir müssen die Daten, die wir bekommen, zuerst vorbereiten - und das ist nicht so einfach wie es klingt.
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Wie müssen Daten für Geo-AI-Modelle vorbereitet werden?
Rohdaten alleine machen noch lange kein KI-Modell aus - sie müssen entsprechend der Fragestellung, um die es geht, vorbereitet, trainiert und strukturiert, also beispielsweise verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Erst dann kann ein Algorithmus Zusammenhänge zwischen den Daten erkennen und verarbeiten. In der Fachsprache nennen wir diese Vorbereitung Feature Engineering. Dieser Schritt ist oft sehr aufwändig, dauert Tage und Wochen und ist mit viel Trial and Error verbunden. Die Analysten müssen sehr viel herumspielen und ausprobieren, um ein funktionierendes KI-Modell zu ermöglichen. Feature Engineering kann von KI-Modellen derzeit noch nicht selbst übernommen werden.

Wo sehen Sie beim Trainieren von Geo-AI-Modellen die größten Herausforderungen?
Eine der größten Herausforderung ist die Datenverfügbarkeit, wobei wir nicht nur eine bestimmte Quantität von Trainingsdaten brauchen, sondern auch eine möglichst hohe Qualität. KI-Modelle lernen ähnlich wie Kinder - sie können umso besser und schneller Muster erkennen, je öfter sie mit etwas in Kontakt kommen: "Ah, das kratzt, das kenne ich schon, das dürfte eine Katze sein. Ach so, das bellt, dann dürfte es doch ein Hund sein." Je mehr Hunde und Katzen ein Kind zu sehen bekommt, umso eher speichert es die Muster ab und kann sie umso besser unterscheiden. Und erst wenn der Algorithmus genug gesehen hat, kann er über statistische Wahrscheinlichkeiten ebenfalls Muster erkennen und Kategorien zuordnen.
Im Geomarketing versuchen wir oft menschliches Verhalten zu prognostizieren. Wie gut gelingt das bereits?
Das ist eine sehr große Herausforderung, mit der wir uns seit mehreren Jahren befassen. Wir haben zum Beispiel in einem Projekt Tourismusströme in Salzburg modelliert. Dabei ist es wichtig, eine Vielzahl unterschiedlicher Daten zur Verfügung zu haben, um die Bewegungsmuster der Personen zu erkennen. Das heißt, wir lassen möglichst viele Entscheidungsebenen einfließen. Wir arbeiten bei solchen Aufgaben gern mit hybriden Modellen, konkret mit einer Kombination aus agentenbasierter Modellierung, bei der es um Simulation und das Erkennen von Nachbarschaftseffekten geht, und Artificial Intelligence. Die AI kann aus den Daten Regeln ans Licht bringen, die ein Mensch nur schwer oder gar nicht erkennen könnte.
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Inwiefern ist den Ergebnissen von Geo AI zu trauen, zumal dieselbe Frage nicht immer dasselbe Ergebnis liefert?
Das stimmt, wobei auch ein agentenbasiertes KI-Modell bzw. ChatGPT bei promptechten Anfragen nicht zwingend dasselbe Ergebnis liefert. So ist es auch bei Geo AI: Im großen Trend werden die Ergebnisse ähnlich sein, im Detail womöglich unterschiedlich. Die Künstliche Intelligenz könnte zum Beispiel bei einer Standortsuche als Ergebnis jedes Mal einen Standort innerhalb einer bestimmten Region oder Rasterzelle anzeigen, aber unterschiedliche Standorte. Für die Explainability ist es wichtig, den Usern bzw. Kunden klar zu kommunizieren, auf welchem Detailliertheitsgrad die AI Aussagen treffen kann - Hausebene, Quartiersebene etc. Manchmal liegen die Ausgangsdaten nicht so granular vor und man muss ein höheres Aggregationslevel wählen.
Wie gut kann AI in unstrukturierten Massendaten Regeln erkennen?
Künstliche Intelligenz ist schon sehr gut darin, Muster, Merkmale oder Trends aus unstrukturierten Daten herauszulesen und diese zu strukturieren und so Wissen explizit zu machen. KI-Modelle wie Deep Learning liefern uns sehr gute Möglichkeiten, aus unstrukturierten Daten zum Teil strukturierte Daten oder vollstrukturierte Daten zu machen und diese bei Bedarf auch zu georeferenzieren, also mit einem Ort zu versehen. Für ein Projekt des Bundesheers haben wir zum Beispiel unstrukturierte Mediendaten mit Geo AI analysiert und konnten anhand der Inhalte von Medienberichten Katastrophengebiete eruieren und geografisch verorten, was schon recht gut funktioniert hat.
In welchem Entwicklungsstadium steckt aus Ihrer Sicht Geo AI derzeit?
Hier müssen wir unterscheiden. Der Bereich Earth Observation innerhalb der Geoinformatik ist zum Beispiel schon sehr weit fortgeschritten. Hier gibt es bereits viele standardisierte Bildanalyse-Methoden, die extrem gut funktionieren. Zum Beispiel ist es einem Kollegen der TU Graz gelungen, dass KI automatisch erkennt, ob es sich auf Dächern um thermische Solarpanel oder Photovoltaik-Module handelt. Bei der Thematik des Verhaltens von Personen, also beispielsweise beim Erstellen von Bewegungsanalysen und -prognosen braucht es noch Entwicklung. In diesem Bereich geht derzeit zwar viel weiter, aber noch gibt es keine standardisierten Methoden. Vor allem in Europa brauchen wir im Vergleich zu den USA, China oder Korea noch wesentlich mehr Forschungsinitiativen.
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